Angst / Angststörungen / Phobie / Panikattacken

wie kann man sie überwinden?

Angst wird von manchen therapeutischen Richtungen als etwas krankhaftes angesehen und mit Begriffen wie "Phobie" oder "Neurose" belegt. Mag sein, dass es solche Formen von Angst gibt -- es gibt aber auch berechtigte Angst.

Ein Beispiel für berechtigte Angst: als ich 8 Jahre alt war, zwang mich meine Mutter, sie sexuell zu befriedigen. Die genaue Anzahl der Wiederholungen dieser Missbräuche kann ich heute nicht mehr exakt rekonstruieren (es waren mit Sicherheit mehr als 3) -- aber ich kann meine damalige Angst vor der Wiederholung immer noch fühlen. Ich hatte Angst, wenn mein Vater (wie so oft) abends zu einer Sitzung eines Vereins ging -- ich ahnte instinktiv, was anschließend passieren würde. Das heißt, soviel Instinkt war dazu auch gar nicht nötig -- meine Mutter hatte beim letzten dieser Missbräuche angekündigt, dass sie das nächste Mal ein "ganz besonders tolles" Fesselungs-Spiel mit mir machen wolle und mich ans Bett ketten wollte. Darauf geriet ich in derartige Angst, dass ich mich an meinen Vater um Hilfe wandte und die ganze Sache aufdeckte, was enorme Wellen schlug und mir weitere Misshandlungen und Prügel durch meinen Vater einbrachte. Ich staune heute noch darüber, wie ich es als Kind nur schaffen konnte, mich über das Schweigegebot, die Geheimhaltungs-Vergatterungen und die Drohungen meiner Mutter hinwegzusetzen und das enorme Risiko der Aufdeckung einzugehen. Aber meine Angst vor dem, was sie mit mir vorhatte und angekündigt hatte, war größer.

Wer behaupten würde, meine Angst als Kind sei nicht berechtigt gewesen, der unterstützt entweder willentlich die Täter-Lobby, oder er hat nicht alle Tassen im Schrank.

Auf dem Hintergrund dieser Feststellung schauen wir uns einmal an, welche Ratschläge u.a. von manchen Therapeuten zur Bewältigung von Angst gegeben werden: einer lautet etwa, man solle seine Ängste annehmen.

Das halte ich bei berechtigten Ängsten nicht nur für falsch, sondern für hochgradig gefährlich. Warum? Weil Angst ein evolutionsgeschichtlich sehr altes und wichtiges / wertvolles Grundgefühl ist. Warum laufen angegriffene Tiere weg, wenn sie merken, dass sie keine Chance gegen einen (stärkeren) Angreifer haben? Ganz einfach: die Angst rettet ihnen u.U. das Leben.

Schlussfolgerung: bevor wir uns überreden lassen, eine Angst annehmen / akzeptieren und damit dulden oder aushalten zu müssen, sollten wir erst ergründen, ob es sich nicht vielleicht um eine (ursprünglich) lebenswichtige Angst handelt.

Angst ist keine Krankheit, sondern das evolutionsgeschichtlich älteste Grundgefühl, das es überhaupt gibt! Wer behauptet, Angst sei eine Krankheit, der kann auch genausogut behaupten, das Leben als solches sei eine Krankheit (schließlich führt es irgendwann mal zum Tode). Man kann doch nicht einfach das wichtigste lebensrettende Grundgefühl, das es überhaupt gibt, als Krankheit deklarieren!

Natürlich gibt es auch verschobene Ängste: genauso, wie das Grundgefühl der Wut (das in gewissem Sinn das Gegenteil der Angst darstellt, weil es zum Angriff statt zur Flucht hinführt) auf andere Personen und andere Dinge verschoben werden kann, kann auch Angst verschoben werden. Erst, wenn es sich um eine verschobene Angst handelt, dann ist das Ziel der Angst nicht berechtigt; der ursprüngliche Grund für die Angst ist aber nach wie vor sehr berechtigt! Solche Verschiebungen treten dann am ehesten auf, wenn der Grund weiter unbewusst gehalten werden muss (Konflikte oder Amnesie / Dissoziation) oder wenn das Ziel unangreifbar ist (z.B. frühere, heute scheinbare oder heute tatsächliche existentielle Abhängigkeit vom Täter oder Co-Täter). Aber auch sogenannte "unbegründete" Ängste haben nach meiner Meinung fast immer einen sehr wohl begründeten urspünglichen Kern, den es zu finden gilt!

Achtung! Wer an (dissoziativer) Amnesie leidet, der kennt in der Regel den Grund der Angst nicht, fühlt seine Angst u.U. also selber als "unberechtigt". Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie tatsächlich unberechtigt ist! Er kann durchaus Dinge wie z.B. schwere körperliche und psychische Misshandlungen als Kind (auch als Baby oder Kleinkind) erlebt haben, die sehr wohl hochgradig berechtigte Ängste hervorrufen! Er kann sich nur leider nicht daran erinnern! Das Fatale an dissoziativer Amnesie ist außerdem, dass man sie nicht spüren kann und deshalb auch von selber nicht draufkommen kann, dass man u.U. eine hat! Typische Anzeichen hierfür sind Grundgefühle wie "chronisches Gefühl von Leere", wie es so schön in den Diagnose-Kriterien von Borderline heißt.

Sogenannte Panikattacken, bei denen jemand aus heiterem Himmel plötzlich Herzrasen, Schweißausbrüche und andere Symptome der Angst zeigt, werden von den den meisten Ärtzen und Psychiatrie-Schulen als Krankheit bezeichnet und behandelt. Da die Betroffenen nicht wissen, woher ihre plötzliche Angst und Panik kommt, scheint ihnen dieses Krankheits-Konzept zunächst plausibel zu sein. Spätestens, wenn die gutgemeinten Ratschläge mit dem "Annehmen der Angst" nicht wirklich helfen, wird es Zeit, dieses leider sehr weit verbreitete Krankheits-Konzept zu hinterfragen.

Jemand, der sich mit traumatischem Stress und seinen Begleiterscheinungen wie Flashbacks und dissoziative Amnesie auskennt, wird an Stelle des Krankheits-Konzeptes eine andere mögliche Ursache in Betracht ziehen: Gefühls-Flashbacks und Körpererinnerungen sind den meisten Überlebenden ein Begriff. Es gibt auch Gefühls-Flashbacks, bei denen das Angst-Gefühl der Trauma-Situation zusammenhanglos und in Isolation hochkommt (meist nach einem Trigger, dessen Sinn jedoch oft nicht verständlich ist solange die Amnesie des Traumas nicht durchbrochen ist). Wie solche isolierten Flashbacks bzw. Körpererinnerungen entstehen und weshalb sie so oft in unverständlicher zusammenhangloser Isolation auftreten, ist im Artikel über Trauma ausführlich beschrieben -- an dieser Stelle empfehle ich dringend, diesen Ursachen-Mechanismus im menschlichen Gehirn genauer kennenzulernen und zu verstehen suchen, bevor diese Theorie als abstrus zurückgewiesen wird. Jedenfalls sei den Skeptikern gesagt, dass Gefühls-Flashbacks genau die gleichen Symptome wie eine klassische Panikattacke aufweisen können! Übrigens treten Herzrasen, Schweißausbrüche und dergleichen oft auch bei PTBS und anderen Störungen aus der Hauptkategorie "traumatischer Stress" auf.

Wer unter unerklärlichen Panikattacken leidet, der sollte sich mit der Theorie der Trauma-Genese (van der Kolk und seine Schüler) beschäftigen, denn dort kann er durchaus eine mögliche Erklärung für seine bisher unerklärliche "Krankheit" finden! Die Abhilfe sieht dann anders aus als bei der klassischen Krankheits-Hypothese: Trauma-Therapie wie z.B. EMDR.

Das beste Gegenmittel gegen Angst, das ich kenne, ist das genaue Gegenteil von Annehmen: entdecke die abgespaltene Wut in dir, die deine Angst fast immer als unterdrücktes Gegengefühl begleitet! Die Schaumstoff-Prügel, mit denen mich mein Therapeut meine abgespaltene Wut finden und bearbeiten ließ, haben nicht nur mehrere Knoten in mir gelöst, sondern auch gleichzeitig meine Ängste abgebaut. Warum? Wer sich stark und sicher fühlt und sich verteidigen kann und dies auch als Selbstgefühl spürt, der braucht keine Angst mehr zu haben.

Eigentlich eine Binsenweisheit.

Angst muss man überwinden, nicht akzeptieren!

Wenn dies gelingt, dann wird die Angst sogar in eine positive Ressource umgewandelt!

Hier ist eine weitere Hypothese von mir: möglicherweise könnte dissoziierte oder verdrängte Wut bei der teufelskreis-artigen Aufrechterhaltung von Angststörungen sogar die Hauptrolle spielen. Meine Erfahrung hierzu: mein Vater hat mir als Kleinkind das Schreien mittels Prügel regelrecht "abdressiert", d.h. wenn ich nach den anfänglichen Prügeln oder nach Einschüchterungen durch sein Anschreien selber weinte oder schrie (was ja jedes Kind in dieser Situation macht), dann war das für ihn ein "Grund", mich wegen diesem Schreien zu prügeln, d.h. er hat mir eingetrichtert, dass ich meine Angst- und Wut-Gefühle nicht zeigen durfte. Derartige Programmierungen von Kleinkindern scheinen recht weit verbreitet zu sein und erklären nicht nur, weshalb sich viele als Erwachsene nicht mehr daran erinnern können. Sie erklären vor allem recht gut, weshalb das Gegenspieler-Gefühl zur Angst (nämlich Wut) nicht gezeigt werden darf und daher als Folge dieser Behandlung verdrängt werden muss (um das kindliche Überleben in diesem unaushaltbaren Zwiespalt zu sichern), obwohl gerade das Zeigen von Wut die Angst am besten abbauen könnte!

Warum wissen das viele Therapeuten nicht? Weshalb laufen viele Überlebende von kindlichen Misshandlungen und sexuellem Missbrauch in eine Spirale sich verstärkender Ängste? Weil viele nicht wissen, dass sie Überlebende sind, oder sie bagatellisieren es, und vor allem: sie beginnen ihre Therapie oft wegen etwas anderem als physischer Misshandlung oder sexuellem Missbrauch! Damit wird die Hauptursache all ihrer Probleme oft nicht angegangen, und wenn man dann auch noch an einen Therapeuten gerät, der lieber einen Bogen um das Thema macht und viel lieber die "offensichtliche" Phobie (Angststörung) behandelt, von der er in seiner Ausbildung etwas gehört hat und zu verstehen glaubt, dann kann man von seiner im Alltag störenden Angst oder seinen Panik-Attacken auch gar nicht loskommen!

Leider beginnen Überlebende oftmals eine therapeutische Behandlung wegen Sekundäreffekten wie Phobien, Alkohol- oder Drogensucht, Persönlichkeitsstörungen, Suizidialität, Selbstverletzung (z.B. "Ritzen"), Ess- oder Magersucht, Straffälligkeit, unerklärliche Hauterkrankungen (insbesondere Neurodermitis und andere Symptome einer Konversions-Störung), "Borderline" Psychosen und "Schizophrenie" und anderen "Krankheits"-Konzepten. Leider kommt in vielen Ratgebern zu diesen Themen das Wort "Missbrauch" und "Misshandlung" nicht vor oder wird nur am Rande erwähnt.

Misshandlung und Missbrauch erfordern aber oftmals eine total andere Behandlung als in manchen Ratgebern zu diesen Themen empfohlen und auch von Therapeuten praktiziert wird. Die Folgen von Missbrauch und Misshandlung kann man eigentlich gar nicht "behandeln lassen", man muss sie selber beseitigen, wobei ein Therapeut lediglich Geburtshelfer spielen kann. Wer nicht die Primärursache Missbrauch selber aus eigener Motivation angeht, sondern irgendwelche Folgeeffekte behandelt oder gar "behandeln lässt" (was bestenfalls nur das Symptom bessert, aber nicht die Ursache beseitigt), der läuft Gefahr, eine falsche oder gar schädliche Behandlung zu bekommen.

Dies zeigt sich leider auch in diagnostischen Leitfäden wie DSM: es wird fast nur nach Symptomen gefragt und aufgrund unsicherer Antworten und Beurteilungen in Klassen eingeordnet, aber es geht dabei nicht nach Ursachen (Ätiologie). Manche glauben, die Ausklammerung der Ätiologie sei ein Vorteil, und Symptome seien viel sicherer. Gerade bei Missbrauch gibt es aber total unterschiedliche und scheinbar widersprüchliche Symptome. Durch Symptom-Klassifikation kann man Missbrauch nicht erkennen, und behandeln schon gar nicht. Ich wage zu behaupten: die bisherigen psychiatrischen Diagnosesysteme sind schlichtweg ungeeignet, um Überlebenden zu helfen! Im ungünstigsten Fall richten sie Schäden an. Hier ist dringend ein Umdenken notwendig!

Deswegen: wer weiß, dass er misshandelt oder missbraucht wurde und sich daran erinnert, oder wer einen Verdacht in diese Richtung hat, der sollte umsichtig bei der Wahl der Therapieform und des Therapeuten sein!