Heilungs-Tipps
Du willst von einer der schwersten aller Misshandlungen heilen, die einem Menschen widerfahren können. Das bedeutet:
- Nimm deine Heilung ernst. Mindestens genauso ernst wie die Heilung eines Knochenbruchs. Seelische Verletzungen sieht man zwar nicht von außen, aber deshalb sind sie nicht unbedingt weniger schlimm.
- Alle Energie und Kraft, die du in deine Heilung steckst, werden sich eines Tages hundertfach bezahlt machen.
- Suche dir den besten Psychotherapeuten, den du finden kannst (siehe Abschnitte Thera-Suche und EMDR). Du bist es wert, dass du die bestmögliche Hilfe in deinem Streben nach Heilung bekommst! Dazu gehört auch, nicht die Falle von unseriösen Heilangeboten (insbesondere im Esoterik- und Psycho-Guru-Bereich) zu tappen.
- Such Dir einen Therapeuten, der ressourcen-orientiert arbeitet. Ressourcen sind das A und das O bei der Bewätigung von Depression und Krisen. Er sollte sich außerdem in Trauma-Therapie auskennen.
- Therapie ist nur ein Hilfsangebot. Die eigentliche Arbeit musst du selber machen! Ein Therapeut kann dich nicht heilen; das kannst nur du selbst! Wenn du dich "therapieren lässt", kannst du sogar im Gegenteil einen Therapieschaden erleiden. Wenn du deine Heilung nicht selber aktiv gestalten und dafür auch an schwierige und belastende Themen herangehen willst, dann lass es lieber bleiben. Das A und O für eine Heilung ist deine eigene Motivation. Sie lässt sich durch nichts ersetzen!
- Du kannst nicht heilen, wenn du unter Täter-Einfluss oder -Druck stehst. So manche Therapie ist fruchtlos, wenn zwar theoretisch palavert und die tiefsten Gefühle gewälzt werden, aber die Praxis des täglichen Leben dann vollkommen anders aussieht. Brich jeglichen Kontakt zu den Tätern ab! Wirklich JEGLICHEN! Ich meine das ernst! Nochmals: J-E-G-L-I-C-H-E-N! Täter oder Co-Täter sind so ziemlich die ungeeignetsten Helfer bei der Heilung von sexuellem Missbrauch, die es überhaupt gibt. Manche Überlebende sitzen bei Familienfeiern mit dem Täter am gemeinsamen Tisch und tun so, als wäre nie was gewesen. Und dann wundern sie sich, dass es sie in extreme Depri-Löcher runterzieht und auch ihre Therapie nicht vorankommt. Das Missachten dieser Warnung kann dich Jahre oder Jahrzehnte an fruchtloser Therapie kosten!
- Erster Hauptsatz der Missbrauchs-Dynamik: die Schuld hat einzig und allein nur der Täter, und nur er! nicht du!
- Zweiter Hauptsatz der Missbrauchs-Dynamik: auch wenn du glaubst, du hättest eine Mitschuld, gilt trotzdem der erste Hauptsatz der Missbrauchs-Dynamik :-)
- Höre auf, dich zu schämen. Auch wenn du als Kind oder Jugendlicher "Lust" "dabei" empfunden hast. Dein Körper reagiert auf biologische Reize genauso wie dein Magen Hunger meldet, wenn du Nahrung zum Leben brauchst. Gib dir oder deinem Körper nicht die Schuld für etwas, das einzig und allein der Täter zu verantworten hat!
- Es geht nicht ohne deine innere Anerkennung deiner schweren Verletzungen. Höre auf, dir weiter vorzumachen, alles sei doch nur eine Lappalie gewesen und weniger schlimm. Es stimmt nicht. Jeder sexuelle Missbrauch ist schlimm. Auch wenn es scheinbar "nur" um Exhibitionismus oder um das Mitansehenmüssen von Dingen ging, die nicht altersgemäß für dich als Kind waren. Auch wenn du schon 14 oder noch älter warst und dir selbst die Schuld für etwas gibst, was du nicht wolltest und was alleine nach deinem Willen niemals passiert wäre. Auch wenn dir eingeredet worden ist, du hättest es selber gewollt.
- Rechne immer damit, dass dir nur die Spitze des Eisbergs bewusst ist und dass du weitere Erlebnisse verdrängt oder dissoziiert hast, die eines Tages hochkommen. Wenn sie endlich hochkommen, sieh es als Zeichen, dass du reif dafür geworden bist, damit umzugehen und deinen seelischen Ballast zu verarbeiten und unschädlich zu machen, damit er nicht mehr dein Unterbewusstsein und dein ganzes Leben vergiften kann. Eine solche Chance zum Aufarbeiten bekommst du nicht jeden Tag!
- Falls du Flashbacks hast, versuche unbedingt, so schnell wie möglich eine Trauma-Therapie zu bekommen! Nach Ansicht einiger Fachleute ist schnelles Handeln erforderlich, damit Nebenwirkungen wie Dissoziations-Verstärkung möglichst erst gar nicht auftreten können!
- Wenn heftige Erinnerungen hochkommen, weiche ihnen nicht aus, sondern stelle dich ihnen. Versuche sie zu überwinden! Hole dir Hilfe, wenn du nicht damit zurechtkommst.
- Du kannst aus guten Büchern zum Thema sehr viel lernen. Wissen über die Hintergründe von Missbrauch, über deren Folgen, ja sogar über Täter-Strategien hat noch nie geschadet.
- Nimm deine eigene Beelterung ernst. Höre auf deine innere Stimme, auf die Stimme deines inneren Kindes, auf seine/deine Gefühle. Wenn du die innere Balance zwischen verschiedenen, vielleicht auch abgespaltenen Gefühlen, Persönlichkeitsanteilen und Interessen verbessern kannst, dann tue alles dafür.
- Falls du dissoziative Verhaltensmuster wie innere Stimmen oder das Gefühl "mehrere" zu sein bei dir selber entdeckst: gerate nicht in Panik. Das sind vollkommen normale Reaktionen und Überlebensmechanismen, die seinerzeit notwendig waren und zeigen, wie anpassungs- und überlebensfähig du in Wirklichkeit bist. Tue alles, um Dissoziationen nicht weiter zu verstärken. Einige Fachleute empfehlen sehr dringend, den verschiedenen Persönlichkeiten keine Namen zu geben und sie nicht als unabhängige Personen zu behandeln (da dies die Dissoziation verstärken kann), sondern statt dessen funktionale Bezeichnungen wie "Beobachter", "Kind" etc zu verwenden und sich inhaltlich sehr intensiv mit ihnen auseinanderzusetzen, vor allem ihren Gefühlen nachzuspüren und sie wahrzunehmen. Als besonders schädlich und dissoziations-verstärkend werden Flashbacks angesehen; falls du welche hast, versuche so schnell wie möglich Trauma-Therapie zu bekommen. Rede mit deinem Therapeuten über deine Dissoziation, oder wenn das nicht geht, dann wechsle ihn. Falls dir Therapeuten sagen, man könne gegen Disso nichts machen (weil sie bisher keine Medikamente dagegen haben oder dergleichen): solche Leute kennen sich nicht wirklich aus. Suche dir einen Therapeuten, der wirklich Ahnung davon hat und dir dabei hilft, ein besseres Leben zu erreichen. Solche Theras sind nur leider selten.
- Falls dir deine Missbrauchs-Erfahrungen bewusst sind und du bereits Diagnosen wie "Schizophrenie" oder "Borderline" (einige Fachleute fordern, die sogenannte "Borderline-Störung" aus dem Diagnosen-Katalog DSM ganz zu streichen!) bekommen hast, oder falls du bereits mehrere unterschiedliche Diagnosen von unserem deutschen Psychiatrie-System angeheftet bekommen hast: es könnte sich auch um eine Fehldiagnose handeln. Leider gibt es verschiedene Ärzte-Zirkel und -Schulen, die den gleichen Fall total unterschiedlich betrachten und behandeln. Nicht jede dieser Schulen kann gleichzeitig Recht haben. Schizophrenie wird sehr häufig als Fehldiagnose bei Dissoziativer Identitätsstörung (DIS) vergeben, was dem Betroffenen meist eine lange Irrfahrt durch das Psychiatrie-System beschert. Außerdem gab es in den letzten Jahren revolutionäre Veränderungen in den wissenschaftlichen Erkenntnissen über Traumata. Leider haben sich diese Erkenntnisse bisher noch nicht sehr weit herumgesprochen! Fast alle heute aktiven Therapeuten hatten Traumatologie überhaupt nicht als Studienfach, und sehr viele haben sich einfach nicht auf den neuesten Stand weitergebildet. Manchmal kann es wahre Wunder wirken, so einen Zirkel mit festgefahrenen und altbackenen Ansichten zu verlassen und sich in die Behandlung von Leuten mit ganz anderer Ausbildung zu begeben, beispielsweise psychologische Psychotherapeuten statt Psychiater. Wenn du den Verdacht auf eine Fehldiagnose hast, dann mache dich selber kundig und lies die relevante Fachliteratur der verschiedenen Schulen, auch wenn du dir dafür ein Fremdwörterlexikon kaufen musst.