Dieses Thema wird oft kontrovers diskutiert. Dies liegt in der Natur der Sache.
Die Konfrontation des Täters mit seinen Taten ist ein Weg (von mehreren möglichen), wenigstens einmal im Leben nicht vom Täter bestimmt zu werden, sondern über ihn zu bestimmen. Also quasi die Macht-Verhältnisse, die damals beim Missbrauch herrschten, herumzudrehen.
Eine Konfrontation, die nicht dieses Ziel verfolgt, kann dem Opfer von vornherein nur Nachteile anstelle von Vorteilen bringen.
Eine Konfrontation ist generell nicht geeignet, um Klarheit über einen (sexuellen) Missbrauch oder Sicherheit über irgendwelche anderen Tatsachen herauszufinden. Die meisten Täter leugnen, auch bei der Konfrontation. Praktisch alle Täter verharmlosen das, was sie getan haben (Verantwortungs-Abwehr-System VAS, siehe Literatur Deegener). Aussagen bei einer Konfrontation haben so gut wie keinen Beweiswert. Weder für, noch gegen den Missbrauch.
Wer meint, mit Hilfe einer Konfrontation herausfinden zu können, ob ein sexueller Missbrauch (oder eine andere Tat) stattgefunden hat, der erreicht im Regelfall genau das Gegenteil des obigen Ziels: er gibt dem (mutmaßlichen) Täter ein Mittel in die Hand, um seinerseits erneute Macht über das Opfer auszuüben.
Wer bei einer direkten Täter-Konfrontation nicht aufpasst, kann leicht mit dem Paragraphen 185 StGB "Beleidigung" in Konflikt kommen (nur relevant bei direkter Kommunikation mit dem Täter).
Findet eine indirekte Kommunikation über den Täter statt (z.B. mit einem Co-Täter), muss man sich vor dem Paragraphen 186 StGB "üble Nachrede" hüten. Vor allem dann, wenn man keine klaren Erinnerungen hat.
Aber auch im anderen Fall: leider reicht es nicht, wenn ein Opfer klare Erinnerungen an den sexuellen Missbrauch hat, um den Missbrauch gegenüber Dritten als Tatsache behaupten zu können. Man muss den Missbrauch im Zweifelsfall gerichtsfest nachweisen können. Nur dann darf man entsprechende Tatsachenbehauptungen gegenüber anderen Personen als dem Täter aufstellen. Aber auch bei Tatsachenbehauptungen über objektive Tatsachen direkt gegenüber dem Täter sollte man vorsichtig sein.
Vorsicht mit jeglichen Tatsachenbehauptungen bei jeglichen Konfrontationen!
Allerdings darf man im Normalfall behaupten, dass man Erinnerungen an sexuellen Missbrauch hat, sofern dies auch wirklich stimmt. Dies ist ein feiner, aber sehr wichtiger Unterschied! Man behauptet nicht, dass ein Missbrauch wirklich stattgefunden hat, sondern nur, dass man Erinnerungen an entsprechende Ereignisse hat. Dabei lässt man ausdrücklich offen, ob die Erinnerungen objektiv stimmen - oder nicht. Man darf aber unterstreichen, dass man seinen eigenen Erinnerungen glaubt. Man darf nur nicht von anderen verlangen, dies ebenfalls glauben zu müssen.
Die Behauptung von vorhandenen Erinnerungen wird normalerweise kein Täter oder Co-Täter juristisch angreifen. Sollte er es trotzdem tun, kann man seine Behauptung dadurch nachweisen, dass man dem Richter oder dem Gutachter die Erinnerungen erzählt oder schriftlich gibt -- allerdings wiederum, ohne dabei gleichzeitig die objektive Wahrheit dieser Erinnerungen zu behaupten.
Im Zweifelsfall sollte man sich vor einer Konfrontation juristischen Rat einholen. Ansonsten besteht die Gefahr, Fehler zu begehen.
Achtung! es ist töricht, eine Konfrontation in der Öffentlichkeit durchzuführen. So etwas schlägt so gut wie immer zurück und erreicht genau das Gegenteil!
Merksatz: eine Konfrontation muss extrem gut vorbereitet sein, damit sie einen Nutzen bringen kann!
Hierüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Man muss nicht unbedingt, weil es auch andere Wege gibt, einen ähnlichen Effekt wie durch eine Konfrontation zu erreichen.
Für deine Heilung genügt es, wenn du das Herumdrehen der Machtverhältnisse zuerst in der therapeutischen Übertragung, und danach auch im realen Verhalten schaffst. Siehe auch mein Artikel über Täter-Kontakte.
Eine gut vorbereitete und konsequent "mit Schmackes" durchgezogene Konfrontation kann bei Vorliegen aller notwendigen Voraussetzungen (und nur dann!) die Krönung der Therapie darstellen und einem ein ganz anderes Selbstgefühl geben, als wenn man andere Wege versucht.
Das Gefühl, es dem Täter wenigstens einmal im Leben gezeigt zu haben, ist durch nichts zu ersetzen.
Absolute Voraussetzung: man muss sich seiner Sache sicher sein! Dazu gehört auch, dass man genügende Erinnerungen hat. Ansonsten ist die Konfrontation so gut wie aussichtslos, ja sogar gefährlich -- im Extremfall sogar lebensgefährlich!
Nur nach allersorgfältigster Vorbereitung, am besten nach einigen Jahren Missbrauchs- und Trauma-Therapie oder als Abschluss der Therapie. Niemals ohne Sicherheits-Netz, z.B. Leute, die einen begleiten.
Niemals, wenn man noch in akuten Krisen steckt, oder in Dekompensationen oder Depressionen. Niemals, wenn man noch am Zweifeln ist. Man sollte den Missbrauch weitgehend verarbeitet haben und sich stark und lebenstüchtig fühlen.
Eine schiefgegangene Konfrontation kann einen im Heilungsprozess stark zurückwerfen. Deswegen ist gute Vorbereitung und professionelle Unterstützung unbedingt anzuraten.
Mit Leugnen, Abstreiten, ja sogar mit "Gegenbeweisen" (die aber nicht stimmen müssen, weil man rein logisch betrachtet gar nicht beweisen kann, dass man etwas nicht gemacht hat -- für einen derartigen Beweis bräuchte man eine lückenlose Video-Aufzeichung seines gesamten Lebens). Mit Tränen, mit Selbstdarstellung des Täters als das angebliche eigentliche Opfer, mit Gegenvorwürfen (insbesondere dass man die Familie zerstören würde), mit Verharmlosungen, und mit typischen Täter-Verdrehungen ("du hast es doch selbst gewollt und mitgemacht" etc).
Rechne mit allen Täter-Strategien, die u.a. in den folgenden Büchern beschrieben sind:Die Lektüre dieser (oder vergleichbarer) Bücher ist vor einer Konfrontation unbedingt anzuraten, da ohne Kenntnis der gängigen Täter-Strategien viel zu viel schiefgehen kann, wenn man sich nicht vorab darauf eingestellt hat.
Nein, überhaupt nicht.
Eine Ausnahme ist eventull nur dann möglich (aber längst nicht sicher), wenn Du extrem stabil und abgeklärt bist. Du musst in jedem Fall selbstsicherer und stabiler als der (mutmaßliche) Täter sein. Ansonsten wird die Konfrontation mit Sicherheit schiefgehen. Nur unter dieser (von den meisten Betroffenen nicht erfüllten) Voraussetzung kann dir eine Konfrontation eventuell einiges über den Täter und seine Strategien verraten. Ob dir das viel hilft, ist eine andere Frage. Mache niemals eine Konfrontation, um aufzudecken oder Fakten herauszufinden! Täter sind so ziemlich die ungeeignetsten "Zeugen" ihrer eigenen Tat, die es überhaupt nur gibt!
Entscheidend ist nicht, ob der Täter "es" zugibt, sondern dass du ihn mit deinen Erinnerungen konfrontierst und er durch dich unter Druck gerät, d.h. es nötig hat, sich zu rechtfertigen und die von dir erinnerte Tat abzustreiten. Mache ihm klar, dass du ihm dies niemals vergessen wirst und dass all sein Leugnen dich nicht davon abbringen wird, an deine eigenen Erinnerungen zu glauben.
Einsicht, Reue oder dergleichen wirst du bei einer Konfrontation so gut wie nie erreichen. Eher wollen Täter umgekehrt, dass du ihnen verzeihen sollst - lass dich bloß nicht auf Schnellschüsse ein! Das kann auch eine versteckte Form der erneuten Machtausübung sein. Denke immer daran, dass Konfrontation etwas mit Machtausübung über den Täter zu tun hat, und daher fast alle Täter sich mit ihren meist infamen Mitteln (Manipulation etc) zu wehren bzw. versteckte Gegenangriffe zu starten suchen, mit denen sie wieder ihre alte Macht über Dich ausüben. Du solltest sicher sein, dass der Täter keine Macht mehr über Dich mittels Programmierungen ausüben kann, beispielsweise indem Du von ihm getriggert wirst und in alte Automatismen zurückfällst. Deswegen ist extrem gute Vorbereitung unerlässlich!
Kurz und knapp: eine Retraumatisierung.
In meinem Forum haben sich einige Betroffene gemeldet, die durch eine gescheiterte Konfrontation in ihrem Heilungsprozess um Jahre zurückgeworfen worden sind.