Vor kurzem habe ich etwas auf der Website eines anderen Überlebenden gelesen, was mich sehr beeindruckt hat. Er meint, dass Jungen, die von ihrer Mutter missbraucht worden sind, später entweder gar keine Frau als Partnerin haben wollen bzw. Frauen verabscheuen, oder ganz im Gegenteil ihre Partnerin gnadenlos idealisieren.
Durch diese Anregung bin ich bei mir auf etwas gestoßen, das mich gerade sehr in der Therapie und auch sonst beschäftigt.
Als ich im Kindergarten-Alter war, habe ich mich wie andere Kinder dieses Alters als "Zauberer" gefühlt. Mit Hilfe "magischer Kräfte" konnte ich mir die Welt etwas erträglicher machen.
Das war auch notwendig, wie mir seit einigen Monaten immer mehr bewusst wird. Ich habe Erinnerungen an mehrere Szenen und kurze Episoden, wie meine Mutter an meinem Glied herumspielt (ich muss dabei ungefähr im Kindergarten-Alter gewesen sein), wobei es auch zu Erektionen gekommen ist, was bei meiner Mutter aber unter der Rubrik "testen, ob bei mir alles in Ordnung ist" lief. Da ich viele sehr lebhafte ganz normale Erinnerungen an meine Kindheit habe (z.B. kann ich genau die Einrichtung des Kindergartens und die Spielsachen schildern, die Rutschbahn, den Sandkasten usw., oder wie mir die Kindergarten-Schwester das Schuhe-Zubinden beibringt), gibt es keinen Anlass, an diesen Erinnerungen zu zweifeln. Ich kann mich sogar an den provisorischen Kindergarten (wie ich dort meinen späteren Kinderfreund kennenlernte und mit ihm spielte) und an den Neubau des heutigen Kindergartens erinnern (bei dem mein Opa mithalf); durch Abgleich mit externen Datenquellen lässt sich mein Alter dabei recht genau auf 2 Jahre bestimmen. Allerdings sind meine frühen Erinnerungen immer nur ganz kurze Szenen von wenigen Sekunden Dauer. Es ist wie bei einer Dia-Show, wo die Dias hinunter gefallen und durcheinander gekommen sind. Diejenigen "Fachleute", die behaupten, man könne sich an dieses Alter prinzipiell überhaupt nicht erinnern (das ist zum Glück nur eine Minderheit), haben schlicht und einfach unrecht (und sie missachten das logische Grundgesetz, dass man ohne lückenlose Kenntnis sämtlicher relevanter Einflussfaktoren nicht nachweisen kann, dass etwas nicht möglich ist).
Weitere Erinnerungsbilder zeigen, wie meine Mutter immer mein Glied hält, wenn sie mich wegen meines Bettnässens nachts weckte und das Töpfchen unterhielt. Nun könnte man natürlich mutmaßen, dass letzteres rein funktionalen Charakter gehabt haben könnte, insbesondere damit nichts daneben geht. Nur sagt mir meine heutige Lebenserfahrung als Erwachsener, dass es zur Erreichung dieses Ziels nicht notwendig gewesen wäre, den Harnfluss immer wieder durch Zudrücken "abzuklemmen", was manchmal ganz scheußlich weh tat. Es wurde von ihr aber so dargestellt, als wäre das notwendig, um festzustellen, ob schon alles gekommen wäre (vgl. Verdrehungen).
Vor kurzem kam in einer EMDR-Sitzung etwas unerwartetes hoch, das bei genauerer Untersuchung auch durch normale Erinnerungen gedeckt wird: im Kindergarten-Alter machte ich manchmal nicht nur klein in die Hose, sondern auch groß. Oft geschah das beim Spielen, ohne dass ich es merkte; manchmal auch im Kindergarten, worauf ich von der Kindergarten-Schwester heimgeschickt wurde. Daheim hagelte es dann Prügel. Das war nicht abgespalten, sondern gehörte zu meinen normalen Erinnerungen. Neulich geriet ich in der EMDR-Sitzung in eine ganz seltsame Körpererinnerung, die sich nur als "Kotzen in der Nase" und scharfes Beißen in der Nase zusammen mit Atemnot und Erstickungsgefühl beschreiben lässt. Dann kam die Erinnerung mit dem Töpfchen hoch, in dem was drin war, und wie meine Mutter meinen Kopf dahinein tunkte. Ich konnte das zuerst nicht glauben, obwohl es ziemlich aufwühlend war. Nach der Sitzung kam dann noch eine normale und viel harmlosere Alltags-Erinnerung, wie sie mir das Eintunken angedroht hatte, damit ich kapieren solle, dass das "Pfui" ist und man das nicht in die Hose macht. Mein Therapeut hat mich dann noch als Hilfestellung darauf hingewiesen, dass manche Leute das Eintunken als Erziehungsstrategie bei der Sauberkeits-Erziehung von Hunden und Katzen einsetzen. War ich als Kind nur soviel wert wie ein Hund oder eine Katze?
Hinzu kommen die schwer wiegenden Erinnerungen, wie sie mich ab dem Kindergarten-Alter wegen der Phimose quälte, und zwar buchstäblich quälte (anders kann man das nicht bezeichnen), wie ich zumindest am Anfang um Hilfe schrie und damit trotz ihres Mundzuhaltens manchmal teilweise Erfolg hatte, wenn mein Opa kam und sich wunderte und es dann auf einmal nicht mehr so sehr weh tat, worauf sie aber diese "Behandlung" auf den Dachboden "verlegte", und noch vieles mehr (siehe nächster Absatz). Obwohl mir heute klar ist, dass ich mich bei vielen dieser Szenen dissoziativ weggebeamt habe (weil ich es sonst nicht überlebt hätte), hatte ich die Tatsache dieser "Behandlung", die mein Leben als Kind jahrelang begleitete, nie vollständig verdrängt, sondern nur in ihrer Bedeutung komplett umgedeutet, und zwar als angebliche "medizinische Notwendigkeit", wie meine Mutter behauptete und ich als Kind nicht überprüfen und hinterfragen konnte.
Theoretisch war es so, dass die Kinderärztin nach dem sehr schmerzhaften Lösen der Verklebung empfohlen hatte, meine Vorhaut gelegentlich beim Baden zurückzuziehen, und dazu auch ein Rezept mit einem speziellen Öl ausgestellt hatte. Was meine Mutter jedoch daraus machte und was sie mit mir anstellte, damit es derart scheußlich weh tat, verstehe ich teilweise bis heute noch nicht genau. Als ich Jahre später als Schulkind mit viel Mühe erreicht hatte (u.a. durch hartnäckige Intervention bei meinem Vater), dass ich das bei mir selber machen durfte und nicht mehr zwangsweise von meiner Mutter "behandelt" wurde, tat es seltsamerweise überhaupt nicht weh; ich wurde dann nur andauernd von meiner Mutter kontrolliert, ob ich das auch "richtig" machte. Auch als es mein Vater einmal im Kindergarten-Alter ersatzweise machte, tat es kaum weh. Wenn es dagegen meine Mutter machte, tat es einfach nur höllisch weh. Einige kurze Szenen-Dias deuten darauf hin, dass sie zumindest am Anfang ein Spatel-ähnliches Instrument benutzt haben muss. Später hat sie gleichzeitig besonders fest zugedrückt und auch ihre Fingernägel eingesetzt. Dazu kam ein unbeschreiblicher Gesichtsausdruck, der durch Zwang und Aggression gekennzeichnet ist. Ich unterstelle ihr heute, dass die Art ihrer "Behandlung" kein Versehen war. Meine dissoziativen Reaktionen auf diese oft wiederholten "Behandlungen" können nicht aus der Luft gegriffen sein.
Meine Mutter hatte mehrere Gesichter. Wie der spätere Missbrauch im Alter von 8 Jahren mit noch besser gesicherter Faktenlage (u.a. durch Täter-Geständnis) aufzeigt, war eins dieser Gesichter dasjenige einer Bestie. Trotzdem sah ich als Kind in meiner Mutter fast nur eine "Madonna". Das andere Gesicht sah ich nicht.
Jahre später idealisierte ich auch meine Freundin / spätere Frau. Ich suchte mir sogar teilweise bewusst eine Frau, die (scheinbar) ganz anders und viel besser als alle andere Frauen war, die am Anfang scheinbar keinen besonderen Wert auf Sexualität legte, sehr christlich war, und so weiter. Lauter Eigenschaften einer "Madonna", die ich in sie hineinprojizierte.
Im Moment kann ich mir das nur so erklären, dass ich offenbar als Kind "gezaubert" habe: einfach die "böse Hexe" in eine "Madonna" verwandelt. Oder besser: die böse Hexe einfach weggezaubert, und die Madonna hergezaubert.
Die Kehrseite davon ist, dass ich für die Wahrnehmung der bösen Hexe blind wurde. Denn etwas "weggezaubertes" existiert ja nur scheinbar nicht mehr. In Wirklichkeit habe ich mich jedoch selber verzaubert. Damals eine zum Überleben notwendige unbewusste Strategie.
Genau da sitzt nun mein Problem: die andere Seite meiner Mutter, nämlich die "Hexe", ist total abgespalten. Wenn man gewohnt ist, die böse Hexe wegzuzaubern und nur die Madonna zu sehen, dann kann man als Erwachsener gar nicht entdecken, dass man eine Idealisierung betreibt. Denn das Aufbrechen der Idealisierung gelingt nur durch das Wahrnehmen der weggezauberten Hexe.
Ich muss jetzt mit dieser Abspaltung umgehen und sie aufbrechen, damit ich bei meiner nächsten Beziehung nicht wieder das gleiche Muster mit der Idealisierung wiederhole.
Den ersten Schritt, das "Zurückzaubern", mache ich gerade. Dazu ist es notwendig, die Realität der Hexe / Sadistin zu entdecken und anzuerkennen.